GÜNTHERS ANEKDOTE – EIN TAUSCH UNTER FREUNDEN
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Unsere Vinothek ist auch ein Ort, wo man sich unter Freunden bei einem guten Glas Wein zum Apéro trifft und austauscht. Die Gäste erzählen von ihrem Alltag, von ihren kleinen Sorgen oder grossen Freuden oder auch umgekehrt, je nach Tagesstimmung. Sind die alltäglichen Themen dann erschöpft, redet man über Gott und die Welt – mal mit mehr, mal mit weniger Freude, je nach den Ereignissen des Tages. So sind die Stimmungen recht unterschiedlich und wechseln mit den Gesprächsthemen. Und dann taucht ein neues Phänomen auf: Man geht vom Austausch unter Freunden zum Tauschhandel aus einer anderen Zeit über: Man macht, auf Französisch, einen «troc».
Aber zuerst ein bisschen Geschichte: Der Begriff «troc» kommt aus dem lateinischen «trochus», das auf das Altgriechische zurückgeht und «Rad», «Reifen» oder «Ring» bedeutet. Einst dienten Muscheln von Meerestieren als Tauschgeld. Die Muscheln sind in der Vinothek nicht mehr üblich, die Modernität hat schliesslich ihre Spuren hinterlassen. Es geht aber darum, sich «gegenseitig einen Dienst zu erweisen»: Du bietest mir ein Kilo Fleisch an, das du zu einem guten Preis in Domodossola erstanden hast, ich überlasse dir eine Flasche hausgebrannten Himbeerschnaps aus eigener Produktion. Oder ein altes Familienrezept, das vier Generationen lang als Geheimnis gehütet wurde, führt zu intensiven und langen Verhandlungen. Schliesslich wird das Geheimnis im Tausch gegen ein altes Büchlein mit Rezepten aus Visperterminen gelüftet (und Grossmutter dreht sich im Grab um).
Dein Auto ist zum Service in der Garage? Daran soll's nicht liegen, ich lehne dir meinen alten 2CV aus, von dem du schon lange träumst. Das Glas meines Telefons ist zerbrochen? Ein Freund ist Liebhaber von elektronischen Objekten ist und repariert den Schaden auf der Stelle. Als Dank gebe ich ihm das alte Nokia meiner Schwiegermutter, die sich endlich entschlossen hat, ein Smartphone zu kaufen. An Objekten, die Gegenstand eines «troc» werde können, herrscht kein Mangel, und jeder beteiligt sich mit Enthusiasmus und Humor und lässt sich auf ein Geschäft ein. All das völlig ohne, dass Geld die Hände wechselt, besiegelt nur durch einen Handschlag und getragen vom gegenseitigen unumstösslichen Vertrauen einer Gruppe von Freunden, die im freundschaftlichen Tauschhandel Partner geworden sind.